Was ist das besondere an der Caritasarbeit?
Gabriele Kimmel, 1. Vorsitzende: "Es gibt viele soziale und theologische Definitionen der Caritas, die ich hier nicht zitieren möchte. Für mich ist der tiefste Kern, das Herz unserer Arbeit, das Menschenbild des Christentums. Das ist u.a. der positive Blick und die unbedingte Hoffnung für einen Menschen, egal wie tief sich jemand verloren hat. Und sie oder ihn vor allem in dieser Verlorenheit nicht allein zu lassen. Wie es auch im diesjährigen Jahresmotto 2022 heißt: das machen wir gemeinsam, du bist nicht allein. Wir stehen dir zur Seite, damit du dir wieder selbst helfen kannst. (ein wenig so wie ein Schutzengel, der uns von Gott an die Seite gestellt ist)"
In diesem Sinne sind die Schwerpunkte der Caritas:
- die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben fördern und erhalten,
- zur Selbstverantwortung und Selbsthilfe aktivieren,
- soziale Netzwerke und Beziehungen anregen, fördern und unterstützen,
- ganz konkret auch Armut verhindern und bekämpfen,
- und zur gerechteren Verteilung und Nutzung von Ressourcen und Gütern beitragen.
Durch die wertschätzende und bejahende Unterstützung können Hilfesuchende und Leidende ein wenig "Himmel auf Erden" erleben, so kann Gott für die Menschen erfahrbar werden. Das ist das Besondere an der Caritas. Das macht die Caritas in ihrem Wesen aus. Und deshalb halte ich auch die gesamte Caritasarbeit, auch der Diakonie, aufgrund dieser spirituellen Basis, für ausgleichend, heilbringend und not-wendig für ein Gemeinwesen, so auch hier für Main-Spessart.
Wir sprechen heute immer wieder von einer VUCA-Welt.
VUCA steht für: Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität, Mehrdeutigkeit
D.h. Rahmen und Werte verschwimmen, gehen immer mehr verloren.
Die Caritas (wie übrigens auch andere Sozial- und Wohlfahrtsverbände) stehen für humane und soziale, und wie die Caritas und Diakonie, für christliche Werte. Sie sind in der heutigen Zeit für die Gesellschaft immens wichtig, sie werden von den Menschen angenommen, genießen ihr Vertrauen, weil sie glaubwürdig sind im Reden und im Handeln.
Wer profitiert von den Angeboten?
Natürlich Jede und Jeder, der die Angebote der Caritas in Anspruch nimmt. Die Dienste der Caritas Main-Spessart stehen allen Menschen offen, die hier im Landkreis leben. Ca 7500 Menschen haben täglich Kontakt zu Diensten der Caritas in Main-Spessart.
Insbesondere die allgemeine soziale Beratung umfasst ganzheitlich alle Lebenslagen: Arbeit, (Aus-)Bildung, Gesundheit, Wohnen, gesellschaftliche Teilhabe, Einkommen. Es geht um materielle und immaterielle Hilfen, um persönliche, pädagogische, psychologische oder rechtliche Fragen.
Erwiesen sind plausible Wirkungszusammenhänge: es profitieren Klient*innen, deren Angehörige, das soziale Umfeld, Arbeitgeber, Polizei/Justiz, verschiedene Institutionen des Sozialleistungssystems, Kommunen, Fachberatungsstellen, Gläubiger und Vermieter. Es profitiert letztlich ein ganzes Gemeinwesen, weil Menschen konkrete Hilfe bekommen, durch Begleitung stabilisiert werden und durch Hilfe zur Selbsthilfe auch wieder ihren Herausforderungen gewachsen sind.
Wie z.B. Herr S., 38 Jahre alt, getrennt lebend, trockener Alkoholiker, Mitsorgerecht für seine beiden Kinder. Er hatte sein Leben „im Griff“. Durch Corona hat er seine Hilfsarbeitertätigkeit verloren, Antriebslosigkeit und immer größere depressive Stimmungen stellen sich ein, schließlich hatte er einen Rückfall, verlor das Umgangsrecht mit den Kindern, zahlte seine Miete und Energiekosten nicht mehr, Obdachlosigkeit drohte. Er suchte Hilfe bei der allgemeinen sozialen Beratung der Caritas. Im Sinne einer Krisenintervention wurde zunächst die Wohnung gesichert, die Sozialleistungsansprüche geprüft und mit Herrn S. beantragt, mit der Beraterin erstellte er einen Zukunftsplan, Kontaktvermittlungen mit Suchtberatung, Kreuzbundgruppe, Jobcenter fanden statt. Zum 2. Treffen erschien er rasiert und mit frischer Kleidung, nach 4 Monaten war er wieder Teil der Kreuzbundgruppe und hatte ein Vorstellungsgespräch vor sich. Heute ist sein Leben wieder „normal“. Für ihn war die Beraterin, wie er selbst sagt, sein „Schutzengel“. Hat ihn vor weiterem Absturz bewahrt und hat ihn wieder ins Leben zurückbegleitet.
Oder Frau W., 58 Jahre alt, leicht gehbehindert, Teilzeit berufstätig an der Kasse eines Discounters, verwitwet, 1 Sohn (28 Jahre, wohnt in Amerika), versorgt und pflegt ihre 83jährige Mutter mit Pflegegrad 2.
Frau W. ist körperlich und psychisch erschöpft, hat Einschlaf- und Durchschlafstörungen, nimmt zunehmend Schlaf- und Schmerzmittel. In ihrer Ortskirche hat sie den Prospekt über die Mütterkuren gefunden und erkundigt sich, ob das auch für sie möglich und organisierbar ist., v.a. wegen der Mutter, die sich weigert, in ein Altenheim zu gehen.
Die Beraterin stellte die Kontakte zur Caritas-Fachberatungsstelle für pflegende Angehörige und zur Kollegin der Mütterkurberatung her, machte einen Hausbesuch und regte zum einen die Erhöhung des Pflegegrades an und konnte in liebevollen Gesprächen die Mutter für eine Kurzzeitpflege vorbereiten. Für die Entlastung der Pflege wurde schließlich die örtliche Sozialstation mit eingebunden.
Frau W. konnte sich auf der 3wöchigen Kur für pflegende Angehörige erholen und Kraft tanken für ihre berufliche Aufgabe und v.a. nun mit Pflege und sozialer Betreuung der Sozialstation ihre eigene Lebensqualität und die ihrer Mutter erheblich verbessern.
Wie finanziert sich die Arbeit des Caritasverbandes für den Landkreis Main-Spessart e.V. ?
Es gibt Hilfen, die sich der Gesetzgeber zur Pflichtaufgabe gemacht hat, wie z.B. die Suchtberatung oder die Flüchtlingsberatung, die er aber der Caritas oder anderen Trägern, im Sinne der Subsidiarität überlässt.
Die Einrichtungen im Bereich der Altenhilfe oder Jugendhilfe haben Einnahmen durch Pflegekassen, Beitragsgebühren oder Betreuungssätze und sind auf Kostendeckung ausgerechnet.
Die Beratungsdienste aber sind für die Hilfesuchenden kostenlos, haben keine Einnahmen, sondern werden durch öffentliche Stellen und durch Kirchensteuermittel unterstützt. Ein Ausgleich durch Einnahmen aus den Einrichtungen ist nicht statthaft. Deshalb sind diese kostenfreien Dienste der Caritas in Gefahr.
Es bedeutet, dass es manche Hilfsanagebote nur gibt, weil Menschen diese großherzig finanziell oder durch ehrenamtliches Engagement unterstützen.
Z.B. findet zweimal jährlich die Caritassammlung in den katholischen Gemeinden statt. Ein Teil (30 Prozent) verbleibt in der Pfarrei, um unbürokratisch Menschen vor Ort helfen zu können. Ein weiterer Teil (40 Prozent) erhält der Caritasverband für den Landkreis Main-Spessart e.V. Er finanziert damit unter anderem Beratungsdienste. 30% bekommt der Diözesan-Caritasverband für überregionale Angebote und Aufgaben, wie z.B. die Fachberatung unserer KiTas oder die Aidsberatung.
Die Sammlungsergebnisse gingen aber in den letzten Jahren um fast 50% zurück.
Welche Angebote und Dienste sind gefährdet ?
Tatsächlich sind die kostenfreie Dienste der Caritas in Gefahr.
Beim Kreiscaritasverband Main-Spessart sind dies insbesondere die sozialen Beratungsangebote wie allgemeine soziale Beratung, Gemeindecaritas, Kurberatung, Flüchtlingsberatung, FairMieten, Fachstelle für pflegende Angehörige, Suchtberatung, FreD, Jugendsozialarbeit an Schulen, Ambulant betreutes Wohnen für Suchtkranke, Sozialdienst im Seniorenzentrum.
Ich bin zutiefst von der Sinnhaftigkeit der professionellen Caritas überzeugt, wie ich zu Beginn bereits dargestellt habe. Als Geschäftsführerin habe ich mit Sorge die finanzielle Entwicklung, den Rückgang der Spenden und Sammlungsergebnisse beobachtet, gleichzeitig aber die Zunahme der Anfragen, der Beratungseinheiten, und v.a. die Zunahme der Konflikte und Krisen in den Familien festgestellt.
Ich bin der Meinung, wir brauchen gerade heute gut ausgebildete Mitarbeiter:innen mit hörendem Herzen und mutmachender Haltung hilfesuchenden Menschen gegenüber.
Deshalb ist es mir ein Anliegen, finanzielle Mittel zu generieren, um die Dienste zumindest zu erhalten. Idealerweise z.B. den allgemeinen Beratungsdienst zu verstärken.
Die offiziellen Förderungen betragen nur ca. 80% der Personalkosten. Die übrigen Kosten muss der Caritasverband durch sog. Eigenmittel selbst tragen. Da es aber keine Gegeneinnahmen gibt, sind diese Eigenmittel nur über Spenden und Caritassammlung auszugleichen.
In den letzten 10 Jahren sind die Spenden und Sammlungen ca. 50% zurückgegangen, ebenso sind die Kirchensteuermittel in den letzten zwei Jahren um ca. 18% reduziert worden. Die Finanzierung der Beratungsdienste ist daher tatsächlich in naher Zukunft in Gefahr. In anderen Diözesen haben sich Wohlfahrtsverbände schon aus Nonprofit-Beratungsdiensten zurückgezogen, weil sie ihre Eigenleistung nicht mehr aufbringen können.
Ich werbe dafür, dass viele Menschen Mitglied in unserem Förderverein werden, um v.a. die Beratungsangebote zu erhalten.
Wieviel seelische und auch konkrete Not durch diese gelindert wird, kann vielleicht der oder die eine oder andere aus eigener Erfahrung bestätigen, oder Sie können auf unserer Homepage unsere Jahresberichte durchstöbern.
Natürlich hoffe ich auch auf großzügigere Spenden durch Gruppen oder Firmen.
WENN VIELE KLEINE MENSCHEN VIELE KLEINE SCHRITTE TUN, WIRD SICH DIE WELT VERÄNDERN. IN DIESEM SINNE IST AUCH JEDER KLEINE BEITRAG EIN SCHRITT IN EINE BESSERE WELT.